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Kaspar Bopp, SP, sieht grosses Potenzial beim Thema Robotics, macht sich mit fortschreitender Digitalisierung aber auch Sorgen um niederschwellige Arbeitsplätze und weniger technikaffine Menschen, weil diese abgehängt werden könnten.

 

Starten wir mit einer kleinen Selbsteinschätzung zu ihrem eigenen Umgang mit digitalen Angeboten. Wo sind Sie im Alltag digitaler unterwegs als die meisten und womit tun Sie sich schwer?

Bei mir im Stab arbeiten wir mittlerweile fast papierlos. Für die Sitzungsvorbereitung und Protokollierung verwenden wir ein zentrales Tool. Da können alle ihre Beiträge direkt einarbeiten und weitere Inhalte verlinken oder anhängen. Für formale Prozesse verwenden wir die Workflow-Funktionalität unserer Geschäftsverwaltung, physische Unterschriften brauchen wir nur noch da, wo es aufgrund von Vorschriften nicht anders geht. Auch privat setze ich stark auf digitale Angebote. Bei Dienstleistungen wie von der Bank, der Krankenkasse, Versicherungen etc. setze ich wo immer möglich auf digitale Kanäle, gleiches gilt für Zeitungen und Zeitschriften. Ich erhalte deshalb auch nur noch wenig physische Post. Notizen für Ansprachen und Referate hingegen mache ich nach wie vor auf Papier. Da möchte ich meine Aufmerksamkeit voll dem Publikum schenken und da wäre ein Bildschirm für mich hinderlich. Das gilt auch für alle anderen Situationen in denen die Aufmerksamkeit auf dem Gegenüber sein sollte. Da setze ich auf Papier respektive papierähnliche Lösungen.

Wenn Sie programmieren könnten, was würden Sie mit diesen Programmier-Skills digitalisieren?

Ich habe in meiner beruflichen Laufbahn schon an mehreren Orten Software entwickelt. Es ist bei mir eher die Zeit, die fehlt, um selbst etwas zu entwickeln. Ein grosses Potenzial sehe ich beim Thema Robotics. Nehmen wir nochmals das Beispiel der Sitzungsvorbereitung. Das Zusammentragen der nötigen Dokumente ist eine aufwändige Arbeit die in meinem Stab viel Zeit in Anspruch nimmt, für unsere anschliessende Zusammenarbeit bei der inhaltlichen Vorbereitung aber sehr wichtig ist. Ein Roboter, der die Dokumente selbst in der Geschäftsverwaltung abholt und in unserem Tool aufbereitet wäre eine grosse Entlastung und könnte umgesetzt werden ohne gleich die ganzen Systeme abzulösen. Ich hoffe, wir können so etwas einmal realisieren.

Was macht für Sie eine Smart City aus?

Der Kern einer smarten City ist die Basisinfrastruktur. Nur wenn die Prozesse auch im Hintergrund durchgängig auf die digitalen Lösungen abgestimmt sind, können die Vorzüge von smarten Lösungen auch vollumfänglich genutzt werden. Was bringt Ihnen ein Online-Formular, wenn Sie am Schluss gleich lange auf eine Antwort warten müssen oder aufgrund ihrer Eingaben später telefonische Nachfragen nötig werden? Auch irgendwelche «fancy» Apps reichen nicht aus, um eine Stadt “smart” zu machen, sondern es braucht die richtigen Systeme mit der richtigen  Infrastruktur im Hintergrund. Zudem können wir als Stadt auch mit guter Bildung und einer guten Infrastruktur für private Leistungserbringer zu einer smarten City beitragen.

In welchem Bereich sollte die Stadt Winterthur noch smarter werden? Und was davon würden Sie gerne umsetzen wollen?

Mein Eindruck ist, dass wir in der Stadtlogistik und im Verkehr noch viel Potenzial haben. Eine optimierte und koordinierte Logistik hätte mit Sicherheit noch viel Potenzial, um die gefahrenen Kilometer zu reduzieren und sie mit den geeignetsten Verkehrsträgern vorzunehmen. Gut für das Klima und für die Lebensqualität in der Stadt.

Wie steht es mit der Digitalisierung der Stadtverwaltung? Welche Digitalisierungs-Bestrebungen sind vorhanden oder werden mit Ihnen im Stadtrat angegangen?

Es freut mich, dass wir vor kurzer Zeit als erste Gemeinde im Kanton Zürich die vollelektronische Grundstücksteuererklärung einführen konnten. Wir arbeiten zum einen intensiv an weiteren solchen digitalen Angeboten für die Einwohnerinnen und Einwohner, die in einem zentralen Konto gebündelt werden. Zum anderen sind wir daran, zentrale Systeme zu modernisieren wie zum Beispiel das Finanzsystem. Damit werden wir in einem ersten Schritt unter anderem deutlich mehr Möglichkeiten haben, was das Finanzreporting anbelangt.

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Startups bei der Digitalisierung im Allgemeinen?

Startups können schnell und unvoreingenommen neue Lösungen suchen und testen. Sie dürfen dabei auch scheitern, was im Grunde gerade ihre Stärke ist. Damit füllen sie eine Lücke, die etablierte Unternehmen und wir als Verwaltung nicht abdecken können. Grosse Unternehmen sind schwerfälliger und etablierte Unternehmen haben einen starken Fokus auf Stabilität. Wir in der Verwaltung brauchen für alles, was wir tun eine Rechtsgrundlage und das politische System ist auch nicht förderlich für eine positive Fehlerkultur. Insofern ergänzen sich die Startups hervorragend mit den Verwaltungen und den etablierten Unternehmen. 

Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Startups und Spin-Offs im Rahmen der Digitalisierugsbestrebungen Winterthurs zu fördern?

Wir sind immer wieder auf der Suche nach neuen Lösungen, die uns in unserer täglichen Arbeit unterstützen können. Sei es, um effizienter zu werden, Fehler zu reduzieren oder der Bevölkerung den Zugang zu uns zu vereinfachen. Unsere Digitalisierungsvorhaben machen uns also zu potenziellen Kunden – auch von Startups und Spin-Offs. Allerdings sind uns durch das Submissionsrecht natürlich auch ein wenig die Hände gebunden. Wir können uns nicht einfach so aus Überzeugung für eine Lösung entscheiden, sondern müssen uns an die Beschaffungsvorschriften halten.

Welche Risiken der Digitalisierung bereiten Ihnen Sorgen und wie könnten entsprechende Verbesserungen politisch gefördert werden?

Mit Blick auf die städtische Ebene sind es vor allem zwei Themen die mir Sorgen bereiten. Das Eine sind die niederschwelligen Arbeitsplätze die der Digitalisierung zum Opfer fallen und das Andere, dass wir Menschen, die nicht so technikaffin sind, abhängen. Typischerweise überwiegen die Chancen der digitalen Lösungen, aber wir müssen die anderen Entwicklungen im Auge behalten und gegebenenfalls Massnahmen ergreifen.

Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung, mit denen Ihre und die Zukunft Ihrer Kinder vereinfacht wird?

Unsere grösste Herausforderung – und das betrifft insbesondere die Zukunft meiner Kinder – ist der Klimawandel. Ich bin überzeugt, dass wir mit der Digitalisierung viel für das Klima und die Umwelt tun können. Clevere Logistik, die Leerfahrten verhindert, ein Verkehrssystem das eine viel bessere Auslastung erzielt, digitale Kommunikationsmöglichkeiten die Geschäftsreisen auf ein Minimum beschränken, eine Versorgungskette, die Verschwendung von Ressourcen minimiert und vieles mehr. Dafür müssen wir die Digitalisierung nutzen und mit ihr etwas für die Zukunft unserer Kinder tun.

 

*In dieser Interviewserie geben wir allen Kandidierenden für die Stadtratwahlen 2022 in Winterthur die Möglichkeit, sich zur Digitalisierung zu äussern. Alle bekommen die gleichen Fragen gestellt. Publiziert werden die Interviews in der gleichen Reihenfolge wie sie bei uns ausgefüllt eintreffen.