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Nicholas Galladé, SP, sieht einen Nutzen der Digitalisierung darin, dass anhand von Daten die Sozialbegleitung besser geführt werden kann. Ihm ist es bei der Voranschreitung der Digitalisierung insbesondere wichtig, dass auch an Menschen gedacht wird, die nicht digital versiert sind.

Starten wir mit einer kleinen Selbsteinschätzung zu ihrem eigenen Umgang mit digitalen Angeboten. Wo sind Sie im Alltag digitaler unterwegs als die meisten und womit tun Sie sich schwer?

Also in Sachen Digitalisierung bin ich alles andere als der Vorderste im Umzug. Seit dem Lockdown bin ich immerhin ziemlich papierlos unterwegs. Als News-Interessierter halte ich mich via iPhone über Sport, Politik und Weltgeschehen auf dem Laufenden. Auf der anderen Seite hole ich immer noch jeden Morgen die Zeitung aus dem Briefkasten – das ist so ritualisiert. Zeitungen und Zeitschriften muss ich einfach in den Händen halten und durchblättern können. Dafür gehöre ich zu den Stadtratsmitgliedern, die Facebook am Konstantesten nutzen. Wobei das Medium Facebook bereits aussagt, dass ich alles andere als ein Digital Native bin.  

Wenn Sie programmieren könnten, was würden Sie mit diesen Programmier-Skills digitalisieren?

Ich versuche in meiner Sprache – und dazu gehört das Programmieren nicht – den kompetenten Personen zu erklären, was ich an Führungsinstrumenten benötige. Beim Data-Warehouse der Sozialen Dienste sind wir nun daran, das Reporting- und Berichtswesen zu entwickeln. Da geht es mir darum, dass wir Erkenntnisse unserer Arbeit über die Wirkung zum Beispiel von Arbeitsintegrationsprogrammen oder die Entwicklung der Wohnkosten erhalten. Dies idealerweise unterteilt und anonym verknüpft nach Merkmalen der Klient*innen wie etwa Alter, Familiensituation, Bildungshintergrund etc. Das Ziel ist es, auf der einen seite zu erkennen, wo wir ansetzen müssen, um diese Personen wieder in den Arbeitsmarkt zu bringen und welche Wirkungen wir bei welchen Gruppen erzielen. Andererseits auch zu erkennen, wo besonderer Handlungsbedarf besteht und bei welchen Gruppen der erste Arbeitsmarkt tendenziell leider ein unrealistisches Ziel ist und wir in der Fallarbeit eher auf die soziale und gesellschaftliche Integration fokussieren müssen. Das sind wertvolle Grundlagen für die strategische Führung, auf konzeptioneller Ebene wie auch für die operative Arbeit und die Ressourcensteuerung. 

Was macht für Sie eine Smart City aus?

Dass sie die Menschen nicht vergisst. Gerade auch jene, die nicht so smart sind, wie es die Smart-City-Visionen gerne hätten. 

In welchem Bereich sollte die Stadt Winterthur noch smarter werden? Und was davon würden Sie gerne umsetzen wollen?

Man muss aufpassen, dass Smart-City nicht zur Projektion verkommt, in die alle alles hineininterpretieren. Die Winterthurer Auslegung lautet: «Die Smart City Winterthur ist eine innovative, fortschrittliche und vernetzte Stadt, die Menschen und Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Sie zeichnet sich durch eine hohe Lebensqualität und einen effizienten Ressourceneinsatz aus. Dies wird erreicht durch die intelligente Vernetzung von Infrastrukturen mit modernen Technologien und durch Einbindung von relevanten Anspruchsgruppen. Dabei werden gesellschaftliche, ökonomische, ökologische und kulturelle Anforderungen berücksichtigt.» So definiert kann ich nur sagen: Wir sind gut unterwegs, können und müssen aber wohl in allen Bereichen noch smarter werden. Das ist ein laufender Prozess, den man auch ganz unabhängig und losgelöst vom Modebegriff Smart City gehen sollte. Smart City darf kein Selbstzweck sein. Sondern soll vielmehr dazu dienen, dass wir die Menschen unterstützen, gut zu Leben und ihren Alltag zu vereinfachen. Ein aktuelles Beispiel ist unser innovatives Projekt mit einer engeren Fallführung in der Sozialberatung. Wir investierten in Menschen, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, und damit indirekt in Klientinnen und Klienten. Die Wirkung war, dass wir 27 % mehr Menschen aus der Sozialhilfe ablösen konnten, diese Menschen wieder selbständig sind und wir darüber hinaus jährlich einen Millionenbetrag für die Stadtkasse einsparen. Um dies zu messen, auszuwerten und nun kontinuierlich weiterzuentwickeln mussten wir natürlich auch in neue Software investieren und diese weiterentwickeln. 

Wie steht es mit der Digitalisierung der Stadtverwaltung? Welche Digitalisierungs-Bestrebungen sind vorhanden oder werden mit Ihnen im Stadtrat angegangen?

Mit der JugendApp der Jugendinfo Winterthur haben wir schweizweit Pionierarbeit geleistet und entwickeln auch weiterhin innovative Anwendungen. Auch das oben beschriebene Projekt reduzierte Fallbelastung in der Sozialhilfe und ist daher sicherlich auch zu erwähnen. Es fand schweizweit Beachtung und in diesem Zusammenhang bauten wir auch ein Data-Warehouse auf, das wie oben beschrieben zahlreiche anonymisierte Daten verknüpft und rasch verfügbar machen soll. Auch im Bereich der Pflegefinanzierung haben wir in den letzten vier Jahren mit neuen Softwarelösungen einen Quantensprung erzielt. Auf dieser Basis konnten wir die strategischen Grundlagen für die künftige Pflegeversorgung erarbeiten. Zahlreiche Umsetzungsmassnahmen, die wir nun angehen, betreffen vertiefte Auswertungen und Verknüpfungen von Daten und Finanzen, mit dem Ziel, diesen Bereich wirksamer zu steuern und den Menschen bedarfsgerechte Angebote im Alter zu ermöglichen. 

Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach Startups bei der Digitalisierung im Allgemeinen?

Startups kommt eine wichtige Rolle im Bereich der Digitalisierung zu. Und auch in anderen Bereichen. Wir sind diesbezüglich in Winterthur gut aufgestellt und sollten hier noch stärker einen Schwerpunkt legen. Auch weil es eine positive Rückkoppelung auf die Stadt und ihr Image hat. Konkret haben wir im Sozialbereich immer mehr komplexe Schnittstellen mit anderen Systemen und Organisationen. Digitalisierung ist auch im Sozialbereich ein Geschäftsfeld mit grossem Potential. Umso mehr freut es mich, dass wir da auch mit einem lokalen Startup hervorragend zusammenarbeiten. 

Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Startups und Spin-Offs im Rahmen der Digitalisierungsbestrebungen Winterthurs zu fördern?

Die Stärkung der Hochschulstadt Winterthur mit der ZHAW ist eine zentrale Voraussetzung. Ebenso, dass Winterthur eine offene und attraktive Stadt mit hoher Lebensqualität bleibt, die junge, kreative und innovative Menschen anzieht. Es braucht ein klareres Bekenntnis der Politik, dass wir in Winterthur innovative und zukunftsgerichtete Unternehmungen wollen: Dazu zähle ich Startups und Spin-Offs, aber auch die Kreativwirtschaft oder Unternehmen mit hoher Sensibilität für ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Umgekehrt wünsche ich mir, dass sich diese noch stärker in der politischen Diskussion um die Zukunft unserer Stadt einbringen.     

Welche Risiken der Digitalisierung bereiten Ihnen Sorgen und wie könnten entsprechende Verbesserungen politisch gefördert werden?

Die Digitalisierung ist eine Realität, die stattfindet. Es geht darum, die Entwicklung zu begleiten, damit wir die damit verbundenen Risiken minimieren. Ein Thema ist die digitale Kluft. Wir dürfen bei der Digitalisierung nicht jene Menschen vergessen, die auch zu unserer Gesellschaft gehören, aber schon heute nicht mehr mitkommen und abgehängt werden. So haben wir in unserem Alltag mit Menschen zu tun, die zwar selbständig wohnen könnten, aber nicht fähig sind, selber eine Wohnung zu suchen. Wenn beispielsweise Wohnungsbewerbungen zunehmend auf digitalen Wegen verlaufen, wird das noch schwieriger. Dasselbe gilt für den Stellenmarkt. Es braucht Unterstützungsangebote für diese Menschen – und das Bewusstsein, dass es diese Menschen gibt – gerade auch in der Entwicklung von digitalen Produkten. 

Welche Chancen sehen Sie in der Digitalisierung, mit denen Ihre und die Zukunft Ihrer Kinder vereinfacht wird?

Die Chance, dass alle einen niederschwelligen und damit besseren Zugang zu Wissen und Bildung haben. Das setzt aber voraus, dass wir mehr Chancengerechtigkeit schaffen. Indem wir in die frühe Förderung von Kindern, die Bildung und auch die Nachholbildung investieren. Und Digitalisierung kann auch dazu beitragen, Menschen im realen Leben zusammenzubringen. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Jugendjobbörse Winterthur auf der JugendApp. Sie bringt Generationen zusammen, bezieht Senior*innen in die digitale Welt ein und gibt den Jugendlichen eine Aufgabe, ältere Menschen in deren Alltag zu unterstützen. 

 

*In dieser Interviewserie geben wir allen Kandidierenden für die Stadtratwahlen 2022 in Winterthur die Möglichkeit, sich zur Digitalisierung zu äussern. Alle bekommen die gleichen Fragen gestellt. Publiziert werden die Interviews in der gleichen Reihenfolge wie sie bei uns ausgefüllt eintreffen.